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Klang.Raum.Frau



Termin:
Do, 22.07.2010 21:00 Uhr
Ort: Kellertheater

KLANG.RAUM.FRAU

(Symphonie pour une femme seule)

 

Tanztheater nach
„symphonie acousmatique“

von DIETER KAUFMANN
(Musik und Idee)

mit GUNDA KÖNIG
(Rezitation der Texte)

mit GERDA SCHORSCH
(Choreographie und Tanz)

und ULRICH KAUFMANN
(Projektionen und Bühne)

 

Im Jahr 1950 komponierten Pierre Schaeffer und Pierre Henry ihre bald zum Kultwerk der „musique concrète“ avancierte „Symphonie pour un homme seul“. Ab 1955 wurde das Werk in der Choreographie von Maurice Bejart quer durch Europa aufgeführt und damit auch die Klangsprache der elektroakustischen Musik bekannt gemacht. Heute, gut 50 Jahre später, ist das neue Medium zum selbstverständlichen Ausdrucksmittel im autonomen und angewandten Bereich zeitgenössischer Musik geworden.

Dieter Kaufmann, der in den Jahren 1968 bis 70 bei Pierre Schaeffer und François Bayle in Paris studierte ist einer ihrer prominentesten Vertreter. Mit seiner „symphonie acousmatique“ hat er eine computermusikalische Biografie gestaltet, die über Brücken und Brüche Verbindungen zu den Pionieren von damals herstellt.

Gerda Schorsch hat mit ihrer tänzerischen Umsetzung die Chreographie in die Sphären weiblicher Existenz gestellt und damit ein Stück Tanztheater geschaffen, in dem Alleinsein und Ausgesetztheit des Individuums durch Kreativität und Ironie  überwunden werden und neues Selbstverständnis im Kampf mit den Drachen unserer Zeit entstehen kann.

 

KLANG.RAUM.FRAU - Komposition

„SYMPHONIE ACOUSMATIQUE“

(„Brücken und Brüche 1969 – 2007“)Op.109, 2007, 58 Min. EV D.K., mit Textfragmenten von Michelangelo, Hölderlin, Rilke, Musil, Wittgenstein, E. Jandl, J. Winkler, Th. Brando

I.) 10’, Op.12-19a/1969-71 (Jandl)
II.) 10’, Op.14-25/1970-73 (Michelangelo, Hölderlin, Rilke)
III.) 10‘, Op.24-65/1973-91 (Jandl)
IV.) 10‘, Op.59-70/1987-93 (Musil)
V.) 10‘, Op.75-87/1994-2001 (Wittg.)
VI.) 8‘, Op.90-101/2002-06 (Winkler, Brando)                               

 

Widmung

In fast allen meiner Stücke ist sie gegenwärtig, die Stimme, die spricht, die rezitiert, die lacht, die explodiert, die manchmal singt, die immer da ist, selbst wenn sie schweigt: die Stimme meiner Frau, der Mutter unserer drei Kinder und die geheime Liebe meiner musikalischen Seele. Ich widme diese Symphonie 

GUNDA KÖNIG

 

„Symphonie“ – Zusammenklang...

Wie klingt so ein Komponist in der Zeit von 1969 bis 2007, also zwischen seinem 27. und 67. Geburtstag?
Ja, er hat so etwas wie eine persönliche Ästhetik entwickelt. Das merkt er (man?) besonders 40 Jahre später: Zunächst keine (noch keine) Übermalung, die Differenzen verdecken könnte. Es ist die (beinahe zufällige) Simultaneität, die stilistische Kohärenzen offen legt. Und was daraus wird ?!...

Sechs Kapitel einer akusmatischen Biografie!

I.) „Sonate“ – wie die Welt klingt...
Am Übergang zwischen Paris und Wien, in den Klausuren elektroakustischer Studios, an der Wende vom Schüler zum Lehrer, vom Junggesellen zum Ehemann: Wilde Zeiten.
Anläufe, Ausbrüche, Alles oder Nichts (wie Cluster und C-Dur), und nach den Bergen der Revolution die Schönheit der Täler...
Schon die Titel der symphonisierten Originalwerke machen es deutlich:
„Energies incluses“, „Gefängnisse“, „Chute“, „Ah! la nature“, „Etuden für Schere“, „Wiener Werkel“, „Warten auf Musik“, „Chanson“.
Aus dem Schrei des Einsamen wird das Lied des Liebenden. Eine tolle, eine entscheidende Zeit!

II.) „Adagio“ – Weg nach Innen...
Gebete, Krähen, Schrei und Atem.
Verantwortung, Familie, Schule, gemischte Werke,
„Flötenzauber“, „Concertomobil“, „Herbstpathetique“ und „Spiegelstimme“: Die Stimme spricht, die Stimme singt, die Stimme denkt, die Stimme schweigt...„Weh mir“ – „die Blätter fallen“, „...sprachlos und kalt“, „...nicht hören und nicht sehen“, „ach, rede leise!“.

III.) „Scherzo“ – TO-HU-WA-BO-HU!
„Konkrezia“, „Bildnis...“ – Ton aus Ton.
Bild und Abbild, Stellung – Entstellung.
Caresse, Agression und Agitation - Liebkosung und Streit: Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung.
Wie aus der Umwelt Klangheimat (Volkslied) wird und wie mir die Klangheimat (Orgel) unheimlich wird:
Pfingstorgel – Pfingstochs, „Himmel und Erde“, „Tag, Nacht, Morgen“...Gunda, Ulrich, Elisabeth im Portrait
(gelungen? – verfehlt?), „Deklaration“.

IV.) „Sarabande“ und „Tango“ – bei Nacht und zu Mittag...
gestresste Langsamkeit – Zeitlupe gerafft,
Berceuse und Marseillaise,
Paradies und Revolution,
das große Spiel...
...Sand – weiter – Boote – Schönheit
...Glück – Trauer, stand – spach – lachte
Vier Stücke aus der Mitte des Lebens:
„Le voyage au paradis“, „(Tag) – Nacht – (Morgen)“,
La guillotine permanente“, „Grand Jeu“.
Wie sagt doch der Hauptmann in Wozzeck: „ich glaub‘, wir haben so was aus Süd-Nord?“

V.) „Quodlibet“ – tragic strip – Gespenstersonate...
Kampf der Kulturen – Dialog der Kulturen:
Paganini in Cairo
Wittgenstein trifft Jean-Féry Rebel
Debussy ertrinkt in Marseille
Menschenrechte und Mittelalter
Tangolzer – Walzango...
Es geistert: in „Paganihilismo“, „Paganini in Cairo“,
„Dialog mit Wittgenstein“, „O Santa Acousmatica: La Mer“, „Mondieu - Mondial“, „Tangolzer – Walzango“,
was ist Bild, was Abbild, Original oder Täuschung,
was roh (cru), was gekocht (cuit), JA oder NEIN ?

VI.) „Finale“ – scordatura – nuova consonanza...
„Adieu“ mit Mozart, Bach, Vivaldi,
Katastrophe, Tod oder nur Schlaf ?
Wenn die Maschinen singen,
verstummt die Zwitschermaschine:
„Obsession“, „Adagio Herbst 01“,
„Air“ und „Berceuse pour Piccoletto“.

Dieter Kaufmann

 

Klang. Raum. Frau. - Choreografie

Die Darstellerin hilft durch ihre Anwesenheit dem Publikum beim Hören.
Sie tut das durch einfaches Hinhören und Reflektieren, durch tänzerische Hingabe, improvisatorisch oder choreographiert. Die Musik soll ihren Raum bekommen. Die Tänzerin übersetzt die Komposition in den Raum, durch Anwesenheit, durch Tun, Nicht-Tun, Reagieren, Arbeiten, Interagieren und Kommunizieren, durch Tanz.

Das Atmen, das Gehen, das Sitzen, das Aufstehen und Sich-Niedersetzen, die Bewegung, das Ungestüme und Aus-einem-Herausbrechende, das Gestaltende und das Arbeiten: die Suche danach, wie man sich verständlich machen, sich ausdrücken kann. Diese „Basisaktivitäten“ bestimmen unser Leben. Das Aufgreifen dieser Aktivitäten ist eine Art Übersetzung für den Zuhörer in seine Welt. Von hier aus wird wieder abstrahiert, in Bewegung umgesetzt und so persönlich angeeignet oder verfremdet. Die Ruhe im Warten kann abgleiten in eine Ungeduld des Körpers, durch dessen Bewegungen sich dann viel mehr ausdrückt als nur „Ungeduld“.

Ein weiteres Mittel der Performance wird der Gedankenstrom sein, ein ununterbrochener Redefluss, der Phantasien und Assoziationen freien Raum lässt. Darin wird das Denken in seiner elementaren Form sichtbar. Es überlagert die Musik oder wird von ihr überlagert.

Nicht zuletzt wird das Tun, die körperliche Arbeit, als performativer Akt eingesetzt – sei es als sinnhafte oder (scheinbar) sinnentleerte Tätigkeit (wie zum Beispiel das Hin- und Herräumen von Stühlen) oder als Arbeit, die nie gelingen kann, weil ein dafür nötiges Element fehlt, z. B. eine dritte oder vierte Hand. Einem Menschen beim Arbeiten zusehen kann Ruhe erzeugen, aber auch die Unruhe einer Erwartung dessen, was folgen könnte.

Gerda Schorsch

KLANG.RAUM.FRAU - Videoprojektionen

Auf der Bühne eine Wand, in der Wand ein Fenster, durch das Fenster Einblicke in Hintergründiges.

Wir schaffen einen Raum der Annahme, indem wir ihn verdecken. Nur durch ein Loch können wir durch die Wand auf einen von uns ausgesuchten Bildausschnitt sehen. Der Bildausschnitt zeigt Reales und Projiziertes. Je nach Blickwinkel zum Fenster auf die Projektion wird anderes sichtbar. Der Tänzerin, die hinter der Mauer verschwindet, wird das Publikum verschiedenes andichten, wir wissen wo sie ist, wir wissen nicht, was sie tut.

Ein Fenster zeigt immer nur einen Ausschnitt der Welt. Da wir aber nicht die Enden der Projektion sehen können, haben wir die Vorstellung eines unendlich großen Abbildes. Die Phantasie ist größer als die Tatsachen. Dadurch, dass wir nur wenig vom Dahinter zeigen, wird das Wenige zum Ausgangspunkt großer Vermutungen.

Das Loch in der Wand gibt aber nicht nur Ausblicke frei sondern auch Einblicke. Einblicke, die vielleicht gar nicht zum Anschauen gedacht waren. Die Tänzerin selbst schaut aus dem Fenster in die Welt heraus, in den Theaterraum.

Ich werde mit der Tänzerin Aufnahmen in leeren Räumen machen. In Wohnungen, die gerade renoviert werden, die völlig leer sind. Oft werden Türen sichtbar werden, die offen oder geschlossen weitere Einblicke verhindern oder frei geben. Die Tänzerin bewegt sich in Schichten. Teilweise überschneiden sich ihre Wege, sie trifft auf sich. Bemerkt oder unbemerkt, zur gleichen Zeit oder zeitverzögert. Während sie im letzten Raum versucht ein Glühbirne in die von der Decke hängenden Fassung zu schrauben, sitzt sie einige Räume näher einfach nur da, auch wenn plötzlich Licht in den Raum vordringt, weil die Birne mit dem Strom Kontakt aufgenommen hat.

Das Video ist still. Auch wenn es zur Musik gedacht wurde, wird es doch als Video für Stille stehen. Leere Räume, belebt durch eine Tänzerin geben der Musik Raum. Wir wissen nicht hört die Frau hinter den Türen der Musik zu, ist sie gedankenverloren oder gedankengefunden? Sind die Bewegungen, die sich mit der Musik verbinden, Zufall?

Auch die Wand selbst, das „Dazwischen“ wird als Projektionsfläche genützt werden. Die Mauer die aus so vielem bestehen kann. Die zerbrechliche, die „um-zu-werfende“, die schöne, die halb-fertige, die Holz-, Stahl-, Glas-, die Lust- und Wutmauer. Die Mauer, die einen abhält und die einen schützt. Ich werde die Tänzerin aus verschiedensten Fenstern schauen lassen, das Fenster ist in dem Fall der leere Raum, definiert durch die geometrische Einfassung des Nichts. Wo befindet sie sich, was hat sie dort zu suchen. Die Bilder werden klar gehalten, kein „Schnick Schnack“: Kanten, Ecken, Lichtstimmungen in leeren Räumen. Wir beobachten und wir werden beim Beobachten beobachtet. Sie selbst beobachtet sich selbst und schaut sich dabei zu.

Ulrich Kaufmann

 

Gerda Schorsch, Dieter Kaufmann und Ulrich Kaufmann haben bereits in den Produktionen „SALE“ (2006 beim Festival katalanischer Kunst in Céret/Südfrankreich, 2007 in Berlin und 2008 im Museum Essl in Klosterneuburg bei Wien) und in „TRILOGY OF LIBERATION“ (2008 beim Festival „Ad libitum“ in Warschau) zusammengearbeitet.

 

Biographien:

Dieter Kaufmann. 1941 in Wien geboren, in Kärnten aufgewachsen, studierte in Wien bei Schiske und Einem, in Paris bei Messiaen,Leibowitz, Pierre Schaeffer und Francois Bayle Komposition und Elektroakustische Musik. Seit 1970 ist er Lehrer für diese Materie an der Wiener Musikuniversität, leitet seit 1990 eine Klasse für Komposition, seit 1997 auch für Elektroakustische Komposition. 1975 gründete er mit seiner Frau, der Schauspielerin Gunda König, das K&K Experimentalstudio und ist in ganz Europa, in Nord- und Lateinamerika, Ägypten und Taiwan mit Konzerten, Musiktheaterproduktionen und Multi-Media-Performances unterwegs. 1982-87 gestaltete K&K eine eigene ORF-Sendereihe: "Was soll der Klang in meiner Hand". Kaufmann schrieb Vokal-, Instrumental-, Orchesterwerke, Elektroakustische und Live-Elektronische Kompositionen und zahlreiche Musiktheaterwerke (darunter 4 Opern).Er erhielt den Preis des Musikprotokolls, den Prix Magisterium Bourges, den Ernst Krenek Preis der Stadt Wien, Preise des Landes Kärnten, der Stadt Wien und der Republik Österreich.

Gunda König. Nach drei Jahren Lehrtätigkeit am Lycée français in Wien erhielt die Schauspielerin ihr erstes Engagement am Stadttheater Klagenfurt und bei den Komödienspielen in Porcia. In Wien spielte sie am Theater der Jugend, am Volkstheater und am Theater an der Wien (Musical) sowie an diversen Kellerbühnen. Mitarbeit bei Hörspielen (Internationaler Hörspielpreis "prix futura") und Fernsehserien ("Mundl"). 1975 gemeinsam mit Dieter Kaufmann Gründung des K&K Experimentalstudios: Tourneen im In- und Ausland, Mitwirkung bei renommierten Festivals in Europa, Nord- und Südamerika. Schallplattenaufnahmen. Lehraufträge für Sprecherziehung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien und an der Universität Klagenfurt. Schriftsteller und Komponisten haben für Gunda König geschrieben, u.a. Gottfried von Einem, Kurt Schwertsik, Heinz Karl Gruber, Dieter Kaufmann, Bruno Liberda, Alexander Widner. Die vielseitige Künstlerin wirkt als Darstellerin in Opernproduktionen (Kaufmann, Logothetis, Lampersberg, P. Androsch) mit, spielt Rollen von Molière, Calderon, Kleist, Nestroy, Michael Ende bis Turrini und Jelinek, gibt Chanson- und Soloabende, deren Programm sie selbst gestaltet.

Gerda Schorsch lebt als Tänzerin, Choreographin und Tanzpädagogin in Wien. Seit 2000 fixes Mitglied des Carpa Theater (Auftritte und Interventionen sowohl im Theater als auch im öffentlichen Raum). Regelmäßige Zusammenarbeit mit Theaterschaffenden und Gruppen der Freien Tanz- und Theaterszene Wien (seit 2006 mit dem K&K Experimentaltheater). Choreographie bzw.choreographische Begleitung von Produktionen im Erwachsen- und Kinder-Tanz/Theater. Eigene Soloarbeiten („Noch kein Stück“, „-abseits-„) und interdisziplinäre Kooperationen mit Musikern und Bildenden Künstlern.

Ulrich Kaufmann, 1974 in Feldkirchen in Kärnten geboren ist Filmemacher, Videokünstler und Mediengestalter. Er arbeitet an experimentellen Dokumentarfilmen und unkonventionellen Projektionsformen. Neben zahlreichen Videoarbeiten für Theater und Opernproduktionen gestaltet er gemeinsam mit Sigrid Friedmann und dem von ihnen gegründeten Mediendesign- unternehmen „lichtlink OG“ medial Auslagen und Geschäfts- lokale. Einen Einblick in sein breit gefächertes künstlerisches Schaffen gibt es auf www.sogx.net

Ticket-Preise:
15,- /9,- für beide Veranstaltungen (Abschlussabend für Violine um 19.00 Uhr und Klang.Raum.Frau)
Die 2. Preise sind ermäßigte Preise für Jugendliche bis 18. Jahren, Studenten, Zivil- und Präsenzdiener, Inhaber der Kultur-Card-Kärnten und Mitglieder des Musikforum. 
Ö1 Clubmitglieder erhalten eine Ermäßigung von -10% auf den Kartenpreis.

 

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